
Moon Palace 2022
THE SUN IS THE PAST, THE EARTH IS THE PRESENT, THE MOON IS THE FUTURE.
Nikola Tesla
Inspiriert vom gleichnamigen, postmodernen Roman Moon Palace (Der Himmel über Manhattan, 1989) von Paul Auster, in der die Mondlandung 1969, der Vietnamkrieg und die Rolle des New Frontier mit der Faszination am Weltraum verwoben ist, setzt sich Nestor Kovachev in der Galerie Petra Seiser mit unserer jüngeren Vergangenheit und möglichen näheren Zukunft auseinander. Der Mond wird dabei zum Symbol für unsere Sehnsüchte, das noch Unerreichte, aber auch für die Hoffnung, die insbesondere in Momenten persönlicher sowie sozio-ökonomischer Krisen entscheidenden Antrieb gibt.
Als einziger Himmelskörper, dessen Oberfläche von der Erde aus gesehen werden kann, verkörpert der Mond Vertrautes, das auch immer nostalgisch besetzt ist, und zugleich das Fremde – eine Anti-Heimat. Auf den Spuren kosmischer Stille, Kargheit und „Leere“, erforscht Nestor Kovachev in Zeichnungen, Heliogravüren und Malereien dieses ambivalente Verhältnis. Dabei wandelt sich sein Zoom durch das künstlerische Teleskop stetig: An geologischen Abweichungen, Kratern und Charakteristika nimmt Kovachev akribisch Maß, während er eine Vielfalt objektiver Parameter mit einem strategischen Coup versieht. Geschickt macht sich der Künstler jenen Sog zu nutzen, den der Mond auf uns unbewusst ausübt. Denn nur bei näherem Herantreten verwandeln sich die auf den ersten Blick vermuteten Fotografien eines NASA Hubble Space Teleskopes in grafische Auseinandersetzungen mit kosmischen Oberflächen, wie sie etwa schon Galileo
Galilei 1610 im Buch Sidereus Nuncius unternahm.
Diese „Transformation“ hin zur Zeichnung entspricht dem Dargestellten ganz im Sinne seiner sich wandelnden, zyklischen Natur, der zudem ein mystisches Element tief eingeschrieben ist. So stehen auch nicht gigantische Ausmaße im Vordergrund – Kovachev beschränkt sich in seinen Zeichnungen sowie einer Serie von Heliogravüren konsequent auf das Kleinformat – sondern die bereits erwähnte, archäische Anziehung, die er mit ebenso archäischen Materialien, nämlich Rötel und Graphit, auf Papier zu bringen versucht. In dieser Beschränkung auf minimale Ausschnitte liegt der besondere Reiz der grafischen Werkserien, eine Abkehr vom schnellen Effekt, und in der unprätentiösen Wahl der Materialien eine angemessene Ehrfurcht.
In Moon Palace arbeitet Nestor Kovachev mit Gleichnissen zwischen Natur und künstlerischem Ausdruck. Andererseits treten Dissonanzen hervor, legen sich wie ein dumpfes, kosmisches Rauschen über die Ausstellung. Denn zu den verbindenden Elementen, mit denen der Künstler den Mond auf die Erde holen möchte, gehört auch die Einsamkeit des Ortes. Zunehmende Isolation ist die Schattenseite unserer modernen Transformationsgesellschaft, in der Klagen über fehlende Bindungen und soziale Kälte allgegenwärtig sind. Aus dem ersehnten, von den 68ern erkämpften Fortschritt und damit dem Bestreben möglichst große Distanzen zwischen Menschen untereinander, als auch zwischen Mensch und Umwelt, technologisch zu überwinden, wurde jener Verlust von Nähe und Bezogenheit, den Nestor Kovachev ebenfalls zum Ausdruck bringt. In diesem Spannungsfeld siedelt der Künstler seine aktuelle Neon-Arbeit an, einen Schriftzug, der an luxuriöse Urlaubsresorts und deren Exklusivität erinnern soll – Moon Palace, eine grelle Verheißung auf außerirdische Exklusivität, zu der wohl nur einige Wenige abheben werden können, sollte es dem kürzlich gestarteten Artemis-Programm der NASA gelingen, den Himmelskörper entsprechend unserer Bedürfnisse zu erschließen.
Text: Esther Mlenek
Exhibition view Gallery Petra Seiser, 2022, Schörfling am Attersee, Austria